Der Christstollen: ein Gebäck aus Sachsen macht Karriere
Dass der berühmte Christstollen mit seinen reichhaltigen süßen Zutaten einst ein mageres Fastengebäck war, merkt man ihm heute wahrlich nicht mehr an!
Wasser, Hafer und Rüböl waren die einzig erlaubten Zutaten in der von katholischen Dogmen genau geregelten adventlichen Fastenzeit. 1329 wurde das Gebäck erstmalig urkundlich erwähnt: In Naumburg an der Saale tauchte der Stollen als Weihnachtsgabe für Bischof Heinrich auf. Papst Innozenz VIII. gestattete dann 1491 auf Bitten des Adels die Verwendung von Butter statt Öl und wirkte so an der Entwicklung des heutigen Rezepts mit. Allerdings mussten die adligen Schlemmermäuler dafür ein saftiges Bußgeld zahlen, das unter anderem zur Errichtung des Freiberger Doms verwendet wurde.
Vom Drasdoer zum Dresdener Stollen
Im sächsischen Torgau soll es gewesen sein, wo Hofbäcker Heinrich Drasdo dem vorweihnachtlichen Fastenstollen mit vielerlei süßen und fruchtigen Zutaten den verführerischen Geschmack verlieh. Aus dem reizlosen Fastengebäck wurde ein richtiges Festgebäck, das wir bis heute kennen und schätzen. Im Andenken an den kreativen Bäckermeister hieß der Stollen „Drasdoer Stollen“ und war bald in ganz Sachsen und den umliegenden Ländern berühmt.
In Dresden, das wir heute als die „Urheimat des Christstollens“ ansehen, wurde das vorweihnachtliche Gebäck erst 1474 amtlich erwähnt.
Als „Christbrod“ tauchte der Stollen auf Rechnungen auf, umgangssprachlich nannte man ihn „Striezel“. So wurde er auch Namensgeber des „Dresdener Striezelmarkts“, der als ältester Weihnachtsmarkt Deutschlands heute noch statt findet. Das „Stollenfest“ vor dem zweiten Advent entstand im Gedenken an August den Starken, der 1730 einen Stollen von acht Tonnen backen ließ. „Nicht kleckern, klotzen!“ mag er sich gedacht haben und ging mit dem Monsterkuchen immerhin in die Geschichte ein.
Um den „Original Dresdener Stollen“ tobte über Jahrhunderte ein Konkurrenzkampf, denn auch Bäcker aus Meißen und anderen Städten verkauften ihre Stollen auf den Dresdener Festen – zum Unmut der ortsansässigen Bäcker. 1648 gelang es ihnen, die unerwünschten Rivalen zu verdrängen und sich das Privileg zu erkämpfen, auf dem Striezelmarkt nur noch eigene, also echt Dresdener Stollen verkaufen zu dürfen.
Fast ein wenig skurril wirkt, dass der Dresdener Stollen auch Gegenstand deutsch-deutscher Vereinigungsverhandlungen wurde: die Bezeichnung wurde in deren Folge als geografische Herkunftsangabe geschützt und später auch als Marke eingetragen. Nur in Dresden gebackene Christstollen dürfen seit 1997 als „Dresdner Stollen“ gehandelt werden. Über die Einhaltung der Vorschrift wacht der „Schutzverband Dresdner Stollen“, damit alles seine Ordnung hat.
Rezepte und Varianten
Obwohl geschützt, ist die Rezeptur des „Dresdener Stollen“ kein Geheimnis: Neben Mehl, Hefe, Vollmilch und Kristallzucker kommt viel frische Butter, Zitronat, Orangeat, Sultaninen, Mandeln und Gewürze in den Teig. Bezogen auf zehn Kilo Mehl enthält ein Stollenteig drei Kilo Butter – also nichts für Menschen, die auf die schlanke Linie achten müssen.
Mittlerweile sind viele Varianten des Christstollens entstanden: In den Supermärkten finden sich hauptsächlich Butterstollen (mit besonders viel Butter gebacken), Mandelstollen und Marzipanstollen - auch Persipan findet in der preiswerteren Variante Verwendung.
Sehr gehaltvoll ist auch der Mohnstollen, der als Füllung mindestens 20% Mohn enthält. Im lockereren Quarkstollen wird Quark bzw. Frischkäse verarbeitet, die Butter darf hier durch Margarine ersetzt werden.
Da die Kreativität der Bäckermeister kaum Grenzen kennt, gibt es mittlerweile auch Rotweinstollen und Champagnerstollen, in denen die Milch durch das entsprechende geistige Getränk ersetzt wird und auch die Früchte vorab in Wein, bzw. Champagner eingelegt werden.
Allen Christstollen ist eines gemeinsam: sie sind mit einem dicken Mantel aus Puderzucker umhüllt, der an das Christkind in Windeln erinnern soll. Trotz seiner schlichten Form zählt der Christstollen daher zu den „Gebildebroten“. So heißen alle Gebäcke, die mittels ihrer Form ein Motiv darstellen sollen.
Der Christstollen kommt heute bereits ab September in die Läden - was ihm nicht schadet, denn eine längere Liegezeit braucht er sogar, um sein volles Aroma zu entfalten. Nach Weihnachten finden sich dann die nicht verkauften Exemplare meist zu einem sehr günstigen Preis, als Schnäppchen für alle, die ein wenig mehr vom süßen Genuss vertragen: der Stollen zum Kaffee schmeckt auch noch im kalten Januar - z.B. bei einem Urlaub in einem Hotel in Sachsen.